Tuesday, June 01, 2021

Testbericht: Craft CTM Ultra (German)

Article by Nils Scharff


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Craft CTM Ultra (160€)


Einleitung

Bevor ich letzte Woche ein unangekündigtes Paket von Craft auf meiner Türschwelle stehen hatte, hatte ich mit der schwedischen Firma nicht all zu viel zu tun. Ich hab ein Shirt von Craft im Schrank liegen. Das ist ein richtiges High-Tech-Teil, das leichteste, das ich jemals an hatte. Aber leider hat es einen großen Fehler: Es scheuert. Nichtsdestotrotz hat es meinen Eindruck der schwedischen Marke geprägt: Hier geht es um hochwertige Ausrüstung für Sportler. Im Laufschuhmarkt sind die Schweden meines Wissens nach noch relativ neu. Und dann haben Sie sich direkt auf die Fahnen geschrieben nicht irgendeinen, sondern gleich einen Ultra-Schuh herauszubringen. Das ist natürlich eine riesen Herausforderung, da es bei so langen Strecken selbst aufs kleinste Detail ankommt. Bei der Sportkleidung bin ich zuversichtlich, dass Craft in diesem Detailgrad und auf höchstem Niveau arbeiten kann. Mal sehen, ob sie das auch direkt bei ihrem Gesellenstück als Laufschuhhersteller hinbekommen!

Pro & Contra


Pro:

Leichtes und sehr atmungsaktives Obermaterial für eine geräumige Zehenbox!

Schöne und nicht zu ausgeprägte Rocker-Geometrie!

Außensohlenstollen sind effektiv auf trockenen, leichten Trails!

Großartige Einlegesohle!

Der CTM Ultra ist für eine so hohe Stapelhöhe recht stabil!

Ziemlich leicht für so viel Mittelsohle!


Contra:

Merkwürdige Größenübersetzung - richtet euch nach den US Größen!

Keinerlei Struktur im Fersenbereich!

Zu breit für mich im Vor- und Mittelfuß - entsprechend nur schlechten Halt im Schuh!

Das Außensohlengummi ist auf nassem Asphalt und Felsen geradezu gefährlich!


Tester: Nils Scharff

Ich bin 31 Jahre jung, gebürtig aus Kassel, verheiratet mit einer wunderbaren Ehefrau und mache seit mittlerweile 5 Jahren Heilbronn und seine umliegenden Weinberge laufend unsicher. Ich habe schon mein ganzes Leben lang alle möglichen Sportarten betrieben, oft 5-7 Mal die Woche. Neben dem Laufen sind seit einigen Jahren das Klettern und Bouldern meine Sportarten. Als Läufer sehe ich mich seit erst drei Jahren. Begonnen hat alles mit einem Firmenlauf, in den ich nicht ganz unvorbereitet starten wollte. Ab dem Punkt habe ich einfach nicht mehr aufgehört. In 2017 waren es „nur“ knapp 1000 Laufkilometer, in 2018 das Doppelte, 2019 schon das Dreifache. Wichtig während all dieser Kilometer sind mir, egal ob auf Trail oder Straße, vor allem das Abschalten und die Bewegung in der Natur. Auf dem Laufband oder mit Kopfhörern werdet ihr mich nur sehr selten antreffen. Ich bin in der Zwischenzeit sechs Marathons gelaufen, die PB von 2:57:10h habe ich dieses Jahr trotz Corona im Rahmen eines #stayathomemarathons aufgestellt. Im Wettkampf laufe ich grundsätzlich alle Distanzen von 5km (17:32min), 10km (37:32min) über Halbmarathon (1:22:56h) bis eben zum Marathon.


Daten

Gewicht:

  Offiziell: 266g (Herren US9)

  Testschuh: 286g (Herren EU 44,5 / US 10.5)

Sprengung: 10mm (40mm Ferse / 30mm Vorfuß)

Release: Erhältlich im Fachhandel für 160€



Erster Eindruck und Passform

Als ich die Box aus Schweden aufgemacht habe, war ich direkt schwer begeistert. Denn Craft hat mir nicht nur Schuhe geschickt, sondern gleich eine ganze Palette an Klamotten dazu. Windbreaker, Singlet, (viel zu kurze) Shorts, Socken. Das war natürlich schon Mal cool. Nähere Infos zu den Klamotten findet ihr in unserem entsprechenden Multitester-Bericht. Kurz zusammengefasst: Schnitt und Materialien waren alle wie gewohnt hochwertig und sind uneingeschränkt zu empfehlen.

Doch an dieser Stelle soll es um einen Schuh, den Craft CTM Ultra, gehen. Und wie immer ist meine Meinung zu diesem natürlich vom Hersteller unbeeinflusst und auch von der netten Dreingabe! 

Die hochwertig anmutende Schuhbox in Königsblau macht auf jeden Fall schonmal Lust auf mehr. Öffnet man diese wird man von einer Mini-Story begrüßt, die einen zum Kauf des CTM Ultra gratuliert. So sieht ein vernünftiges Kundenerlebnis aus! Der Schuh selbst lächelt mich dann in gleichzeitig auffälligem, wie dezentem Design an. Das mit dem Design können die Skandinavier irgendwie immer. Der Kontrast vom einfarbig grau gehaltenen Obermaterial zur grünen (bzw. in der anderen Variante blauen) Mittelsohle macht schon was her. Stichwort Mittelsohle: Davon gibts ganz schön viel! Aber es soll ja auch ein Schuh für Ultradistanzen sein. Für so viel Dämpfung ist der Schuh dann im übrigen ziemlich leicht. Die 286g in meiner Größe US 10.5 haben mich schon überrascht, als ich ihn aus der Box genommen habe.

Ich schreibe an dieser Stelle bewusst US 10.5, da Craft Größen nicht dem gängigen Usus entsprechend behandelt. Mein Testschuh der Größe US 10.5 wird nicht wie üblich in 44,5 EUR übersetzt, sondern als 44 EUR angegeben. Der Schuh passt für eine US 10.5 korrekt. Ist für eine 44EUR jedoch deutlich zu groß! Richtet euch also bitte nach den US-Größen!

Bei der ersten Anprobe wird dann auch schnell deutlich, wie das geringe Gewicht zu Stande kommt. Das Obermaterial ist ziemlich minimalistisch gestaltet. Leider muss ich auch feststellen, dass es in Vor- und Mittelfuß ziemlich weit und breit geschnitten ist. Das wird in Kombination mit meinem eher schmalen Fuß noch für Probleme beim Lockdown - also dem Halt im Schuh - sorgen. Wer breite Füße hat, wird sich über den Schnitt des Craft CTM Ultra jedoch freuen!



Obermaterial

Wie schon gesagt, ist das Obermaterial des Craft CTM Ultra sehr minimalistisch aufgebaut. Das einlagige Monomesh ist stark perforiert, sodass man an jeder Stell des Vor- und Mittelfußes hindurchschauen kann. Das sorgt natürlich für eine sensationelle Atmungsaktivität! Auch trocknet das Material sehr schnell, wenn es Mal nass wird und nimmt so gut wie kein Wasser auf.

Substantielle Verstärkungen findet man am gesamten Schuh kaum. Eine laminierte Naht auf der medialen Seite sorgt für minimalen medialen Halt. Hinzu kommen zwei weiche Applikationen rechts und links der Ferse, die jedoch vor allem optischer Natur sind und die nicht vorhandene Fersenkappe nicht ersetzen können. Letztes sog. Overlay ist die Verstärkung um die Schnürlöcher.

Rund um den Spann und die Ferse verwendet Craft ein Suede-ähnliches Material, das sich angenehm am Fuß anfühlt. Zwei kleine "Kissen" halten die Ferse an Ort und Stelle, was angesichts des minimalistischen Rests des Obermaterials überraschend gut funktioniert. Das gleiche Suede-Material bildet einen kleinen Zehenschutz an der Vorderseite des Schuhs.

Die Zunge ist mit zwei dehnbaren Laschen rechts und links mit dem Rest des Schuhs vernäht. Sie ist leicht gepolstert und macht ihren Job, den Spann vor dem Druck der Schnürung zu schützen ziemlich gut.

Alles in allem gibt das Obermaterial leider nicht sehr viel Struktur her. Zusammen mit der geräumigen Passform, führt das leider zu einem sehr schlechten Lockdown für mich. Solange man auf anspruchslosen Straßen und Wegen läuft ist das in Ordnung. Aber selbst das kleinste bisschen technischer Anspruch lässt mich im Schuh herumrutschen.



Mittelsohle

Als ich den Craft CTM Ultra das erste Mal am Fuß hatte, hatte ich große Sorge vor Instabilität. Das minimalistische Obermaterial, die relativ schmale Fersenform, die hohe Mittelsohle und dazu dann noch mit 10 mm eine ziemlich hohe Sprengung. Gefühlt hat wirklich alles dafür gesprochen, dass ich mit dem Schuh nicht klar kommen werde. Doch die Mittelsohle hat mich wirklich überrascht!

Die Fersenkonstruktion hält gemeinsam mit dem relativ festen Vault Foam und dem breiten Vorfuß die Dinge in puncto Stabilität irgendwie zusammen. Der Fersenpart der Mittelsohle steht ein gutes Stück über die eigentliche Ferse hinaus. Und zwar sowohl nach hinten, als auch seitlich. So entsteht eine Art Crashpad, das vor allem bergab bzw. für Fersenläufer stark stabilisierend wirkt. Ansonsten gibt es nicht viel zu erzählen. Der Schaum erinnert mich an eine festere Variante von Nikes React. Die Rocker-Geometrie ist spürbar, aber recht dezent.



Außensohle

Die Außensohle des Craft CTM Ultra ist ziemlich irreführend. Sie sieht aus wie eine ausgereifte Trail-Außensohle und daher habe ich gehofft, hier einen schönen Road-to-Trail-Hybrid in den Händen zu halten. Aber nach meinen ersten Eindrücken und den beschriebenen Lockdown-Problemen habe ich Zweifel bekommen und mich deshalb auf der Website von Craft nochmal umgeschaut. Dort heißt es „optimaler Grip auf ebenem Untergrund“. Ultras und lange Strecken kommen mehrfach zur Sprache. Doch zu keinem Zeitpunkt wird erwähnt, dass der CTM Ultra ein Trailschuh sei. Da waren meine Erwartungen wohl falsch. 

Denn tatsächlich funktioniert die Außensohle im Schlamm überhaupt nicht. Schlimmer noch: Auf nassen, harten Oberflächen wie Steinen oder selbst auf nassem Asphalt lässt die Traktion zu wünschen übrig. Alle meine bisherigen Läufe im CTM Ultra bin ich unter nassen Bedingungen gelaufen. Und selbst auf der Straße in Richtung Trail fühlt sich die von Craft verwendete Gummimischung rutschig und unsicher an. Man spürt sogar, dass man bergauf die Traktion verliert. Wer regelmäßig auf technischen Trails unterwegs ist, sollte definitiv die Finger von dem Craft CTM Ultra lassen! Die Außensohle hat für mich auf Straßen, Feld- und Forstwegen gut funktioniert - aber nur unter trockenen Bedingungen. Das ist weniger als das absolute Minimum, das ich von einem Ultra- oder selbst Straßenlaufschuh erwarten würde.



Laufgefühl

Das Craft CTM Ultra ist wie gemacht zum Cruisen – und das, wie der Name verspricht, auch für sehr weite Distanzen. Dank der massiven Mittelsohle und des relativ lebhaften, aber nicht zu weichen Dämpfungsmaterials ist der Fuß gut geschützt. Der dezente Rocker die leichte Konstruktion des Schuhs helfen in die Gänge zu kommen, was für mich selbst auf längeren Bergauf-Passagen gut funktioniert hat. Sobald man einmal am “rollen” ist, könnte man ewig weitermachen. Außerdem ist der Schuh stabiler als man es erwarten würde und gibt somit den nötigen Halt auf den späteren Kilometern eines (sehr) langen Laufs.


Zusammenfassung und Empfehlung

Insgesamt habe ich sehr gemischte Gefühle gegenüber dem Craft CTM Ultra. Einerseits gefällt mir das schützende und stabile Laufverhalten ziemlich gut. Aber auf der anderen Seite ist die Passform einfach nichts für mich und daher werde ich den Schuh wahrscheinlich gleich nach diesem Test in den Ruhestand schicken. Versteht mich nicht falsch – ich liebe geräumige / natürliche geformte Zehenboxen wie die von Altra oder Topo. Aber ich habe auch gern einen vernünftigen Halt im Schuh und das bekommt Craft mit dem CTM Ultra für meinen Fuß nicht hin. Für diejenigen mit breiteren Füßen ist er wahrscheinlich eine tolle Option für lange Läufe und sogar nicht-technische Ultra-Rennen. Meine Mittester haben das im englischsprachigen Testbericht bestätigt. Aber selbst wenn der Schuh gut passt, sollte man vorher auf jeden Fall die Wettervorhersage prüfen. Denn Laufen bei Nässe ist in diesem Schuh geradezu gefährlich.


Wertung 7,1/10 (-2 für gefährliche Mittelsohle bei Nässe; -0,4 für zu weiten Schnitt; -0,4 für schlechten Halt im Schuh; -0,1 für verwirrende Größenübersetzung)


Vergleiche


Craft CTM Ultra vs. Saucony Endorphin Shift (German Review)

Wenn ich den CTM Ultra als reinen Straßenlaufschuh betrachte, denke ich, dass der Shift ein guter Vergleich ist. Sein Dämpfungsmaterial ist etwas fester, Sauconys Speedroll Rocker etwas ausgeprägter und immer noch einer der besten die man finden kann. Das Obermaterial ist ebenfalls großartig, aber weitaus mehr gepolstert und schwerer als das Mono-Mesh des CTM Ultra. Der Shift hat eine breitere Basis und eine feste Fersenkappe, was ihn stabiler, aber auch deutlich schwerer macht. Die Passform des Shift funktioniert einwandfrei mit meinen schmaleren Füßen, während ich beim CTM Ultra keinen richtigen Lockdown bekomme. Für den Craft spricht vor allem sein Gewichtsvorteil und die Atmungsaktivität. Aber mehr kann ich nicht sehen. Beide 10,5 US.


Craft CTM Ultra vs. ON Cloudultra (German Review)

Der Cloudultra ist ein weiterer Schuh, der für Ultras gemacht ist. ON ist diese Aufgabe jedoch komplett anders angegangen. Der Cloudultra ist ein Trailschuh, der auch auf Straßen funktionieren soll. Der CTM Ultra hat auf richtigen Trails nichts zu suchen. Der ON bietet viel mehr Substanz im Obermaterial, ist hochwertiger verarbeitet, wird vermutlich viel länger halten und bietet auf allen Untergründen tollen Grip. Für mich war er jedoch leider zu hart. Der CTM Ultra bekommt die feste, aber noch energetische Mittelsohle besser hin und ist deutlich leichter. Jedoch ist sein Einsatzspektrum wie gesagt deutlich mehr eingeschränkt. Beide in EUR 44,5.

 

Craft CTM Ultra vs. HOKA ONE ONE (EVO) Speedgoat (English Review)

Die SG ist das, was ich von der CTM Ultra erwartet habe. Ein massiv gepolsterter Schuh, der jeden Untergrund über jede Distanz meistert. Sicher, der SG neigt mehr zur Trail-Seite, aber er kann sowohl asphaltierte Abschnitte fast genauso gut wie die meisten Straßenschuhe bewältigen. Der CTM Ultra hingegen ist etwas schneller auf der Straße und läuft sich dort etwas dynamischer. Aber auf den Trails hat er nichts zu suchen und hat entsprechend gegen den SG keine Chance. Der SG hat eine der besten Laufsohlen aller Laufschuhe - der CTM Ultra eine der schlechtesten. SG Passform ist schmal, CTM Ultra sehr geräumig. Beide 10,5 US.


Craft CTM Ultra vs. Topo Athletic Ultraventure 2 (German Review)

Der Ultraventure ist in kürzester Zeit zu einem meiner Lieblingsschuhe avanciert! In den ersten 1,5 Testwochen im Ultraventure habe ich über 100km gesammelt. Ich denke das sagt alles! Der Schuh ist bequem, stabil, zuverlässig. Der UV ist ein Trailschuh, der selbst auf längeren Asphaltpassagen gut funktioniert. Er ist nur unwesentlich schwerer als der CTM Ultra und ist durch ein leichtes Laufgefühl selbst für schnelle Dinge oder gar Wettkampfe denkbar. Und dabei kann er immer noch genug Halt, Traktion und Zuversicht vermitteln um auch auf technischen Passagen gut zu funktionieren. Und genau an der Stelle hebt er sich deutlich vom CTM Ultra ab. Während letzterer eigentlich nur für einfachste Strecken funktioniert, kann man im Ultraventure bedenkenlos alles laufen, was das Gelände so hergibt. Ultraventure 2 gewinnt um längen! Beide in EUR 44,5.


Link zum original English Multi Tester RTR-Test des Craft CTM Ultra: HIER


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Die Laufbiographien aller RTR-Tester könnt ihr hier lesen

Der Schuh, der Grundlage dieses Tests ist, wurde mir von Craft Sportswear kostenlos zur Verfügung gestellt. Die dargestellten Meinungen sind meine eigenen.

Ich freue mich über Kommentare und Fragen in der Kommentarrubrik.

Um bestmöglich auf eure Fragen einzugehen, nennt nach Möglichkeit euer Laufpensum, Geschwindigkeiten, Renndistanzen und eure aktuellen Schuhe.

 

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1 comment:

Nils said...

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