Thursday, April 07, 2022

Testbericht: Altra Rivera 2 – Nicht viel Neues aus Denver

Article by Johannes Klein

Altra Rivera 2 (130€)

Einleitung

Als erster Schuh, den Altra mit der neuen “Slim”-Passform ausgestattet hat, war der Rivera letztes Jahr ein unerwarteter Ausreißer – ist die Schuhmarke aus Denver doch besonders für ihre extraweite FootShape™-Zehenbox bekannt. Eingefleischte Altra-Fans standen dem Schuh wegen seiner Abtrünnigkeit erstmal skeptisch gegenüber.


Ich versuche stets, mich von allen Vorurteilen, die man gegenüber einem Schuh haben kann, zu befreien. Nur so können wir als Tester wirklichen Mehrwert liefern für alle, die sich auf unsere Einschätzung verlassen. Deswegen bin ich so auch an den Test des Altra Rivera 1 von letztem Jahr herangegangen. Mit dem Ergebnis, dass er zu meinem Schuh des Jahres wurde.


Der Rivera 2 hat nun ein neues Obermaterial bekommen. Und das wäre auch tatsächlich schon alles, was sich dieses Jahr an dem Alleskönner von Altra ändert. Manche werden sich jetzt fragen, ob es sich in dem Fall überhaupt lohnt, den neuen Schuh zu erstehen. Ich hoffe, dass euch dieser Testbericht eine Entscheidungshilfe sein kann.


Pro & Contra

Pro:

Der Rivera 2 ist immer noch ein Leichtgewicht für seine Stapelhöhe

Altra-Technologien machen das Laufgefühl bei jedem Tempo geschmeidig.

Perfekte Wahl für alle, denen der Escalante zu instabil und der Torin zu weich ist.

Ein wahrer Alleskönner.


Contra:

Das Vorfuß-Volumen des Rivera 2 ist etwas niedriger.
Altra EGO ist nicht das innovativste Material auf dem Markt für Mittelsohlen.

Außensohle zeigt nach 50 km bereits ähnliche Abnutzungserscheinigungen, wie ich sie vom Rivera 1 kenne.


Daten

Gewicht: 

Herstellerangaben: 250g (Herren EU 42,5 / US 9) / 197g (Damen EU 40 / US 8,5)

Testschuhe: 266g (Herren EU 45 / US 11)

Sprengung: Herren 0mm (26mm Vorfuß / 26 mm Ferse)

Release: Verfügbar im Fachhandel ab sofort für 130 €.

Erhältlich bei Running Warehouse Europe HIER


Link zum original RTR-Test des Altra Rivera 2: HIER

Link zu allen RTR-Testberichten: HIER


Erster Eindruck und Passform

Auch wenn ich es zunächst nicht als meine Farbe identifiziert hätte, mag ich das Scharlachrot meiner Variante mittlerweile sehr. Insgesamt finde ich, dass die Designabteilung von Altra richtig gute Arbeit leistet. Aber Äußerlichkeiten sind bekanntlich nicht alles.

Beim Herausnehmen der Schuhe aus dem Karton kam mir sofort der Gedanke: “Ist der Schuh kleiner?” Tatsächlich, fällt der Rivera 2 ein klein wenig kürzer aus, aber bisher bereue ich es nicht, mich an meine übliche Größe gehalten zu haben. Allen Läufer*innen, die zwischen zwei Schuhgrößen liegen, würde ich allerdings raten, auf Nummer sicher zu gehen und die größere zu wählen. 


Die Mittelsohle, die sich zunächst etwas fester anfühlt, hat sich schon während der ersten paar Kilometer eingelaufen und ist jetzt so weich und elastisch wie man es von Altra EGO™ gewohnt ist. Der Rivera ist auch in der zweiten Iteration ein Schuh, an dem man sofort Freude hat, wenn er frisch aus dem Karton kommt.

Obermaterial

Der Rivera 2 ist ein reines Upper-Update. Das technische Gewebe ist weniger dicht und durchlässiger, insbesondere im Vorderfuß, wodurch es besser atmen kann. Zu meiner anfänglichen Bestürzung fühlt sich die Zehenbox, die letztes Jahr schon recht flach war, noch niedriger an. Ich war überrascht, dass diese Änderung beim Laufen nicht wirklich auffällt. 


Es gibt jetzt einen Zehenschutz, der potenziell zum Gefühl der Enge im Vorfuß, das ich oben angesprochen habe, beiträgt. Der Bereich des Schuhs, der den Knöchel umschließt, hat ein wenig mehr Polsterung und ist etwas höher, wodurch die Ferse besser umschlossen wird. Im Allgemeinen ist das Obermaterial strukturierter und das Mittelfußvolumen wurde reduziert, was auch hier zu einem besseren Halt führt.

Wenn ich mich beim Obermaterial zwischen Rivera 1 und 2 entscheiden müsste, würde ich die neuere Version vorziehen. Obwohl der Rivera 1 ein wenig geräumiger im Vorfuß ist, ist sein Nachfolger eindeutig besser darin, den Fuß an Ort und Stelle zu fixieren. Auch ist das Mesh des Rivera 2 atmungsaktiver. Die etwas flachere Zehenbox ist bisher für mich kein Ausschlusskriterium.


Mittelsohle

Hier wurde rein gar nichts verändert. Die Mittelsohle aus Altra EGOTM ist so weich und federnd wie eh und je. Tiefe Flex-Kerben und die fehlende Sprengung sorgen für ein reibungsloses Abrollverhalten. Wer das Gefühl der Mittelsohle des Rivera 1 mochte, wird auch dieses Jahr zufrieden sein.

Mein Hauptkritikpunkt an Altra EGOTM ist, dass es sich dabei um ein Material handelt, das 2016 zum ersten Mal verwendet und seither nicht spürbar weiterentwickelt wurde. Ich tippe darauf, dass Altra hier das Prinzip “never change a running system” (pun intended) walten lässt. Und tatsächlich kann ich mich nicht wirklich über die Beständigkeit des Materials beschweren. Trotzdem würde ich mir für den Rivera 3 ein Update wünschen.


Außensohle

Mittlerweile habe ich fast 350 Kilometer in den Rivera 1 gesteckt. Dabei habe ich realisiert, dass die Verwendung eines härteren Gummis auf der Außensohle viel Mehrwert gebracht hätte. Der ungleichmäßige Abrieb des weichen Gummis lässt den Schuh etwas nach außen kippen, weshalb ich ihn zum Freizeitschuh relegiert habe.

Dass die Außensohle beim Rivera 2 exakt gleich geblieben ist, hat mich daher ein wenig enttäuscht. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass der Rivera 2 dieselbe Tendenz zum Verschleiß hat. Hier hätte ich mir eine etwas beständigere Gummimischung für die neue Version gewünscht.

Was das Laufen auf nassem Asphalt, Kies oder Waldwegen angeht, performt der Rivera 2 genauso gut wie sein Vorgänger, was folgerichtig ist, da sich ja nichts geändert hat. Insgesamt könnte die Außensohle in puncto Beständigkeit aber ein Update vertragen.


Laufgefühl

Die Gangart des Rivera 2 ist nach wie vor sehr geschmeidig. Er ist leicht am Fuß und inspiriert durch seine Bauart zum Laufen mit hoher Schrittfrequenz. Die fehlende Sprengung regt dazu an, im Mittelfußbereich zu landen.


Wie bereits erwähnt, fühlt sich der Abrollvorgang durch die Flexibilität der Mittelsohle sehr natürlich an. Dabei müssen die Füße definitiv mehr arbeiten als in einem steifen Schuh. Das ist aus meiner Sicht jedoch wünschenswert.

In der Kategorie Alleskönner ist der Rivera immer noch unter den Leichtgewichten angesiedelt. Durch das neue Obermaterial liegt er auch noch ein bisschen besser am Fuß, weswegen er sich bei fast allen Geschwindigkeiten sehr ausgeglichen verhält. Er steht nicht im Weg, hat aber auch nicht unbedingt den Pepp, den ein Schuh mit Pebax-basierter Mittelsohle hätte.


Zusammenfassung und Empfehlung

Eingangs sollte ich erwähnen, dass Läufer*innen, deren Bewegungsapparat nicht mit Schuhen ohne Sprengung vertraut ist, eine langsame Übergangsphase beherzigen sollten. Da das Laufen in Altra-Schuhen eine neuartige Belastung für Waden und Achillessehnen sein kann, habe ich den Rivera zunächst mit meinen anderen Schuhen rotiert und bin erst einmal keine längeren Strecken oder Tempo-Workouts darin gelaufen. So konnten sich meine Muskeln und Sehnen ohne Probleme anpassen.

Wenn man die Übergangsphase hinter sich hat, würde ich den Rivera 2 prinzipiell, wie schon seinen Vorgänger, für fast alle Trainingsformate empfehlen. Er hat genug Dämpfung für Long Runs und ist leicht und peppig genug für Tempoeinheiten. Das einzige, für das ich ihn nicht unbedingt bemühen würde, sind Bahnintervalle oder Sprints. Dafür gibt es definitiv besser geeignete, windschnittigere Schuhe.


Ich mag den Schuh tatsächlich am liebsten für langsame bis moderate Dauerläufe, weil er dann durch das geschmeidige Laufgefühl und die angenehme Passform in Vergessenheit gerät. Und wenn ich eins mag, dann ist es, wenn ich beim Laufen das Gefühl habe, gar keine Schuhe zu tragen.


Wertung

8.25 / 10 

Laufgefühl: 8.5 (50%) Passform: 8 (30%) Preis-Leistung: 7.5 (15%) Style: 9 (5%)

Abzüge bekommt der Rivera 2 für die veraltete Mittelsohle, die (immer noch) ungleichmäßige Abnutzung der Außensohle und die sehr flache Zehenbox.


Vergleiche


Altra Torin 5 

Der Torin 5 hat nach wie vor die weitere Zehenbox, die stärker gedämpfte Mittelsohle und mehr Gummi auf der Außensohle. Er tendiert also noch mehr in Richtung Arbeitstier als der Rivera 2. Dafür eignet sich der Rivera besser für Tempoeinheiten. Für langsame, lange Läufe würde ich eher zum Torin greifen, gerade wegen der großzügigeren Passform.

 

Saucony Kinvara 13 (RTR German Review)

Der Kinvara hat 2,5 mm mehr Fersen- und 1,5 mm weniger Vorderfußdämpfung. Er wiegt in meiner Größe 46 Gramm weniger und kommt mit weit weniger Gummiabdeckung der Außensohle aus. Die Mittelsohle des Kinvara ähnelt in ihrem federnden Gefühl dem Altra EGO. Durch das Update des Obermaterials beim Kinvara 13 ist der Rivera 2 jetzt meine eindeutige Wahl für langsame Tage. Beide “Uppers” sind geschmeidig und doch sicher, wobei der Kinvara eine eingenähte Zunge hat. Wer das geringere Gewicht, die 4-mm Sprengung, und eine stromlinienförmigere Passform bevorzugt, wählt den Kinvara. Für tägliches Training ist der Rivera aber meiner Meinung nach durch seine größere Vorderfuß-Stabilität besser geeignet.


Link zum original RTR-Test des Altra Rivera 2: HIER

Link zu allen RTR-Testberichten: HIER


Tester: 

Johannes Klein

Im Sommer 2020 bin ich als langjähriger Fan, der zum Tester wurde, zur RTR-Truppe gestoßen. Ich lebe in der Nähe von Karlsruhe, wo ich treffenderweise mein erstes 14-km-Rennen als Teil der Teamstaffel beim Baden-Marathon gelaufen bin. Dort habe ich meine Leidenschaft für den Laufsport entdeckt und der Rest ist Geschichte. 

Derzeit bin ich dabei, mich nach einer längeren Verletzungs- und Krankheitspause wieder ins Laufen einzugrooven. Allgemein bin ich die meiste Zeit draußen zu finden, beim Wandern, Spazieren am Rhein oder Streetball Spielen. 

Meine bevorzugten Inside-Aktivitäten sind Bloggen, Kochen und der Vergleich von Laufschuhen. Mit Letzterem habe ich als Verkäufer in der Laufabteilung eines namhaften Modehauses angefangen und werde wohl nie mehr damit aufhören, da ich mit der Zeit eine leichte Besessenheit entwickelt habe.

Ihr findet mich auf Instagram und Strava.


YouTube Playlist mit englischsprachigen Laufschuhtests


Die Laufbiographien aller RTR-Tester könnt ihr hier lesen. 

 

Die Schuhe, die Grundlage dieses Tests sind, wurden uns von RUNNINGWAREHOUSE kostenlos zur Verfügung gestellt. Die dargestellten Meinungen sind unsere eigenen.

 

Ich freue mich über Kommentare und Fragen in der Kommentarrubrik.

Um bestmöglich auf eure Fragen einzugehen, nennt nach Möglichkeit euer Laufpensum, Geschwindigkeiten, Renndistanzen und eure aktuellen Schuhe.

 

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3 comments:

Anonymous said...

Great review! Thanks for the reddit advice too.

Johannes said...

My pleasure! Thanks for checking it out and giving feedback ;)

Anonymous said...

Hallo Johannes,
Danke für den Bericht. Ich laufe aktuell den Kinvara 11 und bekomme jetzt den Rivera 1. Ich habe einen sehr breiten Fuß, komme aber mit dem Kinvara ganz gut zurecht, kannst du einschätzen ob der Rivera noch etwas weiter ist?
Danke und Grüße Daniel