Monday, August 15, 2022

Testbericht: Altra Escalante 3 (German) – Ein Klassiker wird neu interpretiert

Article by Johannes Klein

Altra Escalante 3 (150 €)

Einleitung

Heute haben wir einen absoluten Klassiker auf dem Seziertisch: Den Altra Escalante! Was die Bezeichnung der Version angeht, sollte man sich von der „3“, die hier auf dem Papier steht, nicht verwirren lassen. Es handelt sich dabei bereits um die fünfte Version des Modells, dass sich seit seiner Einführung 2017 in die Herzen vieler Läufer*innen gestohlen hat. 


Mit dem Escalante wurde auch das Mittelsohlenmaterial EGOTM auf den Markt gebracht, das sich durch ein Plus an Energierückgabe und Widerstandsfähigkeit auszeichnete. Schon von Beginn an  – und mit fast jeder neuen Version  – wurde dieser Schuh kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich kommt das daher, dass er über die Jahre immer wieder umfangreichen Änderungen unterzogen wurde.


Ich selbst hatte seit dem Escalante 1 keine Berührungspunkte mehr mit dem Modell, da der Schuh damals nicht meinen Bedürfnissen entsprach, was Stabilität angeht. Seitdem hat sich in dieser Beziehung jedoch einiges getan. Ein neues Obermaterial, sowie die Geometrie der Mittel- und Außensohle der diesjährigen Version versprach ein stabileres Laufverhalten und machte mich direkt neugierig. Da musste ich natürlich zugreifen und testen!


Pro & Contra

Pro: 

EGOTM ist so lebendig und widerstandsfähig wie eh und je

Stabileres Laufverhalten durch neues Design der Mittel- und Außensohle

Tragegefühl ist rundum komfortabel


Contra:

Gewichtszunahme von rund 20 Gramm pro Schuh

Strick ist nicht das beste Obermaterial für sommerliche Temperaturen


Daten

Gewicht: 

Herstellerangaben: 263g (Herren EU 42,5 / US 9) / 219g (Damen EU 40 / US 8)

Testschuhe: 290g (Herren EU 45 / US 11)
Sprengung: 0 mm (24 mm Vorfuß / 24 mm Ferse)

Release: Verfügbar ab sofort im Fachhandel und bei Runningwarehouse EU HIER (150€) 

Link zum original RTR-Test des Altra Escalante 3: HIER

Link zu allen RTR-Testberichten: HIER


Erster Eindruck und Passform

Kein Zweifel: Der Escalante 3 ist ein absoluter Hingucker! Das einfarbige, stilvolle Design mit den gepunkteten Schnürsenkeln als Akzent gefällt mir sehr gut und ich kann mir vorstellen, dass es vielen Läufer*innen so gehen wird. Bei Runningwarehouse EU gibt es aktuell 6 Farbvarianten.

Bei der ersten Anprobe fällt auf, dass der Schuh groß ausfällt. Und damit meine ich nicht die angenehm weite Zehenbox, die Altras Standard-Passform mit sich bringt, sondern die Länge des Schuhs. Die Innensohle misst 29,5 cm in der Länge, was für meine übliche Größe (US 11 / EU 45) am oberen Ende der Skala ist. Auch das vertikale Volumen, dass Schuhe wie der Rivera und Vanish Tempo vermissen lassen, ist hier gegeben. Insgesamt würde ich mir wünschen, eine halbe Größe kleiner gewählt zu haben.


All der Platz im Schuh hat natürlich auch einen positiven Effekt: Das Tragegefühl des Escalante 3 ist von vonherein sehr komfortabel. Ich spüre nirgendwo auch nur den geringsten Druck und auch die vertraute EGOTM Mittelsohle hat nichts von ihrem bequemen Charakter eingebüßt. Obwohl ich im Escalante 1 nicht gelaufen bin, habe ich ihn noch lange als Freizeitschuh genutzt. Ich kann mir vorstellen, dass unser heutiges Testobjekt ebenso einen phänomenalen Walkingschuh abgibt. Zunächst einmal gilt es aber, den Escalante 3 beim Laufen durch alle Gänge zu schalten!


Obermaterial

Das Strickmaterial, dass den Escalante von anderen Altra Schuhen unterscheidet, ist uns auch in der fünften Version erhalten geblieben. Es ist recht dicht und nicht so elastisch wie seine Vorgänger, wodurch es besseren Halt gibt als die frühen Versionen. Im Fersen- und Mittelfußbereich ist das Obermaterial dezent verstärkt und gepolstert.


Die Schnürsenkel, die bei Altra manchmal recht lang ausfallen, haben hier die perfekte Länge und sind nicht sehr dehnbar. Außerdem ist das zusätzliche Schnürloch, das beim Escalante 2.5 aus unerfindlichen Gründen weggelassen wurde, wieder da! Auch die Zunge ist wesentlich stärker gepolstert und ein wenig steifer als die dünnen Laschen, die der Escalante bisher hatte. Diese Änderungen tragen dazu bei, dass man sich im Escalante 3 wesentlich besser fixiert fühlt.


Durch seine Dichte ist der Strick des Escalante leider nicht sehr atmungsaktiv, was vor allem bei den sommerlichen Temperaturen hier im Südwesten (bis zu 38 º C) ein Problem darstellt. Wer ein Obermaterial braucht, dass die Ferse und den Mittelfuß eng umschließt, ist hier immer noch nicht nicht wirklich an der richtigen Adresse, obwohl der 3er wesentlich mehr Halt bietet als seine Vorgänger. Alles in allem reden wir hier von einem Obermaterial, das beim Komfort hervorsticht aber bei der Funktionalität gewisse Abstriche macht.


Mittelsohle

Auch die Mittelsohle des Escalante 3 hat sich verändert, auch wenn man es auf den ersten Blick vielleicht nicht vermuten würde. Die Stapelhöhe ist zwar nach wie vor dieselbe (24mm), aber der Fuß sitzt jetzt ein wenig tiefer im Schaum, als es noch beim 2.5er der Fall war. Mit anderen Worten: Die „Seitenwände“ der Sohle sind ein wenig höher. Auch ist die Mittelsohle merklich steifer als die des Vorgängermodells. Gefühlt erhöht das die Energierückgabe, hat aber auch zur Folge, dass man den Escalante 3 einlaufen muss. Zumindest war das bei mir der Fall.


EGOTM hat auch nach 5 Jahren seinen festen Platz in der mittlerweile modernisierten Reihe der Mittesohlenmaterialien von Altra und das meiner Meinung nach vollkommen zurecht! Das EVA-TPU-Gemisch ist für mich die perfekte Kombination aus weich, federnd und widerstandsfähig. EGOTM mag nicht das luxuriöse, üppige Dämpfungsgefühl von EGOTM Max oder PRO haben, aber das braucht der Escalante auch nicht, da er nicht in derselben Rubrik wie der Torin oder Vanish Tempo spielt.




Außensohle

Maße der Auftrittsfläche im Vergleich zu Escalante 2.5: Vorfuß 11.8 cm (+ 0.2), Mittelfuß 7.9 (+ 0,8 cm), Ferse 8.7 (+0.6) cm 


Wenn wir uns die Außensohle des Escalante 3 ansehen, stellen wir fest, dass hier die womöglich größte Veränderung stattgefunden hat. Die neue Anordnung der Gummi-Segmente erinnert stark an die Außensohle des Torin. Die Segmentierung (FootpodTM) bildet laut Hersteller die Knochen und Sehnen des Fußes ab, was zu einem natürlicheren Abrollverhalten führen soll. 


Nach ca. 50 gelaufenen Kilometern sehe ich keinerlei Anzeichen vorzeitiger Abnutzung. Daher gehe ich davon aus, dass die Außensohle einer der letzten Teile des Schuhs sein wird, der nachgibt. Da es momentan in unseren Breitengraden unheimlich trocken ist, hatte ich noch keine Gelegenheit, den Escalante bei Regen zu testen. Auf trockenem Asphalt, Kies und unbefestigten Wegen hatte ich jedenfalls zu keiner Zeit das Gefühl, zu rutschen.

Wie sich an den Bildern ablesen lässt, ist die Auftrittsfläche ein wenig breiter geworden, was ein weiterer stabilisierender Faktor ist. Wer bisher gut aufgepasst hat, der merkt, dass der Escalante 3 insgesamt ein deutliches Mehr an Material aufweist. Das wirkt sich natürlich beim Gewicht aus. Mit rund 20 Gramm mehr als sein Vorgänger würde ich unser Testobjekt nicht mehr unbedingt als leicht- sondern eher als mittelgewichtigen Schuh bezeichnen.


Laufgefühl

So komfortabel am Fuß wie der Escalante 3 ist kein anderer Schuh, den ich besitze. Am liebsten würde ich ihn den ganzen Tag tragen – was ich teilweise auch tue. Generell ist das übrigens meine Empfehlung für alle Läufer*innen, die noch keine Erfahrung mit Schuhen ohne Sprengung haben, um Muskeln und Sehnen langsam an die Mehrbelastung zu gewöhnen: Wenige, langsame und kurze Strecken im Escalante joggen und ihn ansonsten als Freizeitschuh einlaufen. Aber genug des Exkurses.


Das Laufgefühl des Escalante 3 hat sich seit 2017 stark verändert. Damals hatte der Schuh eine gewisse Wildheit (um nicht zu sagen Instabilität), die mich erst einmal abgeschreckt hat. In der fünften Version ist von diesem „jugendlichen Leichtsinn“ nicht mehr viel vorhanden. Stabiler als seine Vorgänger ist der diesjährige Escalante allemal. Das führe ich vor allem auf die Änderungen an der Sohle zurück.

Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass das Mehr an Gummi auf der Außensohle einen positiven Effekt auf die Energierückgabe des Escalante 3 hat. Kurioserweise stört mich die  Gewichtszunahme von 20 Gramm beim Laufen nicht wirklich. Wer gerne die Straße spürt, aber auf ein Mindestmaß an Dämpfung nicht verzichten will, kann mit dem Escalante 3 eigentlich nichts falsch machen. Alles in allem fühlt sich der Schuh wie eine Luxus-Limousine an, mit der man am liebsten gemächlich unterwegs ist, die aber mit einem lebendigen Charakter überrascht, wenn man aufs Gaspedal drückt.


Zusammenfassung und Empfehlung

Mit dem Escalante 3 habe ich dieses Jahr bereits 3 Altra Straßenschuhe getestet (Die anderen beiden: Altra Rivera 2, Vanish Tempo) und ich muss sagen, dass es der Hersteller sehr gut versteht, jedem Schuh einen einzigartigen Charakter zu verleihen. Während der Rivera 2 ein Schuh ist, der sich bei jedem Tempo gleich anfühlt, kommt der Vanish Tempo erst bei moderaten bis schnellen Einheiten zur Geltung. Der Escalante fühlt sich wiederum anders an, macht es mir aber schwer, ihn zu kategorisieren. 


Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass er die niedrigste Stapelhöhe (24mm) hat, aber gleichzeitig ein üppiges Obermaterial, was im Widerspruch zueinander steht. Frühere Varianten des Escalante kamen mit weniger Obermaterial aus und hätten daher noch eher als „minimalistischer“ Daily Trainer oder Temposchuh durchgehen können, je nach individueller Präferenz. Als jemand, der mit den Escalantes der Verganenheit Schwierigkeiten hatte, bewerte ich den aktuellen Trend zu mehr Stabilität und Komfort positiv. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass sich andere Läufer*innen daran stören könnten.


Ich persönlich kann im Escalante 3 längere Strecken laufen als noch in den Vorgängern und würde ihn für Distanzen bis zu Halbmarathon tragen. Tempo machen kann der Schuh auch, allerdings denke ich nach wie vor nicht, dass er besonders gut für enge Kurven geeignet ist. Er ist also eher kein Laufbahn-Schuh. Durch sein Mehr an Stabilität kann ich mir vorstellen, dass sich der neu interpretierte Klassiker auch gut im Fitnessstudio machen würde. Dass er als Freizeitschuh brilliert, hatte ich ja bereits angesprochen.


Wertung

8,2/10

Laufgefühl (50 %): 8 Lebendige Mittelsohle, Stabiler (aber schwergängiger) als Vorgänger 

Passform (30 %): 8 – Sehr komfortabel, Besserer Halt hinten, Weit und lang vorne

Preis-Leistung (15 %): 9 – Auf Langlebigkeit ausgelegt

Stil (5 %): 9 – Gediegener, klassischer Look


Vergleiche


Altra Rivera 2 (RTR GER Review)

Der Rivera 2 hat ein wesentlich leichteres Obermaterial, eine engere (für mich angenehmere, da besser fixierende) Passform, 2 Millimeter mehr Stapelhöhe und wiegt rund 30 Gramm weniger. Das macht ihn für mich zum klaren Sieger in fast allen Kategorien, abgesehen von der Langlebigkeit der Außensohle. Hier könnte sich der Rivera einiges vom Escalante 3 abschauen. Beide Schuhe in Größe EU 45 getestet.


Altra Torin 6 (RTR Review)

Der diesjährige Torin und der Escalante spielen ungefähr in derselben Gewichtsklasse, obwohl der Torin vier Millimeter mehr Dämpfungsmaterial bietet und dazu noch mit EGO MaxTM ausgestattet ist. Was moderate, längere Strecken angeht hat der Torin für mich eindeutig die Nase vorn. Bei kurzen, schnelleren Einheiten würde ich trotz allem eher zum Escalante greifen. Beide Schuhe in Größe EU 45 getestet.


Topo Athletic Fli-Lyte 4 (RTR Review)

Ich glaube der Escalante und der Fli-Lyte wurden mit demselben Zweck erdacht. Beides sind Schuhe mit moderater Dämpfung, die einen natürlichen Bewegungsablauf begünstigen sollen und in der Zeit von „Superfoams“ und Schuhen mit 40 Millimetern Stapelhöhe wie ein Relikt anmuten. Die ursprüngliche Prämisse, die die Schuhe teilen, setzt der Fli-Lyte 4 heute wesentlich besser um allein durch sein funktionaleres Obermaterial und 55 Gramm weniger Gewicht pro Schuh. Bei der Langlebigkeit der Außensohle und Widerstandsfähigkeit der Mittelsohle führt jedoch der Escalante. Beide Schuhe in Größe EU 45 getestet.



Tester: Johannes Klein

Im Sommer 2020 bin ich als langjähriger Fan, der zum Tester wurde, zur RTR-Truppe gestoßen. Ich lebe in der Nähe von Karlsruhe, wo ich treffenderweise meinen ersten Wettkampf als Teil der Teamstaffel beim Baden-Marathon gelaufen bin. Dort habe ich meine Leidenschaft für den Laufsport entdeckt und der Rest ist Geschichte. Derzeit laufe ich 30-50 km in der Woche und bin wieder einmal dabei, mich auf meine Teilnahme am Baden-Marathon vorzubereiten (14 km Teamstaffel). Allgemein bin ich die meiste Zeit draußen zu finden, beim Wandern, Spazieren am Rhein oder Streetball Spielen. 

Mein liebstes Inside-Hobby ist Kochen. Was Laufsporttrends angeht, habe ich in meiner Zeit als Verkäufer in der Sportabteilung eines namhaften Modehauses eine leichte Besessenheit entwickelt, die mich wahrscheinlich den Rest meines Lebens begleiten wird.
Ihr findet mich auf Instagram.

Dieses Muster wurde privat bei Running Warehouse Europe erstanden. RoadTrailRun hat Affiliate-Partnerschaften und kann Provisionen für Produkte erhalten, die über Affiliate-Links in diesem Artikel gekauft werden. Diese Partnerschaften haben keinen Einfluss auf unseren redaktionellen Inhalt. Die Meinungen in diesem Artikel sind ausschließlich die der Autoren.

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1 comment:

Anonymous said...

Knickt das Obermaterial an der Vorderseite zwischen großem und zweitem Zeh bei deinem Modell auch so stark nach innen ein, dass es am Zeh stört?